Die Sage über den alten Weinkeller bei Salurn
In Südtirol gibt es viele Sagen und Legenden. Eine Sage, welche man sich in der südlichsten Gemeinde Südtirols – in Salurn – erzählt, ist die Sage über den alten Weinkeller bei Salurn. Wenn man auf dem Rathaus zwei alte Flaschen vorgezeigt bekommt, haben diese mit der Sage zu tun.
Christoph Patzeber von Sankt Michal soll im Jahr 1688 nach Salurn gekommen sein und kam dabei an den Trümmern der alten Burg von Salurn vorbei. Als er die alten Gemäuer passierte, weckten diese sein Interesse, so dass er diese näher betrachtete. Er nahm zuerst den oberen Teil der Burg unter die Lupe und entdeckte eine unterirdische Treppe, welche sehr hell erschien. Daher stieg er die Treppe hinab und kam in einem ansehnlichen Keller an. An beiden Seiten des Kellers waren große Fässer gelagert. Das Licht, welches durch die Ritzen den Keller etwas erhellte, half ihn dabei, die Fässer zu zählen. Es waren insgesamt achtzehn Gefäße. An den Fässern, die in der vorderen Reihe standen, waren sowohl Hahn und Krahn vorhanden, so dass er aus einem der Fässer einen Wein ausgoss und auch verkostete. Dieser Wein war der beste, den er jemals getrunken hatte. Gerne hätte er für seine Familie ein wenig des Weines mitgenommen, doch er hatte dazu kein passendes Gefäß dabei. In diesem Augenblick fiel ihm die Sage ein, die man sich von dem Schloss erzählte. Danach sollen Menschen von dem Schloss unschuldiger weise reich gemacht worden sein. Daher überlegte auch er, ob er von dem Fund glücklich werden konnte.
Drei alte Männer
Er machte sich zurück auf den Weg nach Salurn und kaufte sich zwei große Flaschen mit Trichter und ging zurück in den Keller, aus dem er gekommen war. Hier füllte er seine zwei großen Flaschen, welche zirka 20 Maß fassen konnten, mit Wein und wollte den Keller wieder verlassen. Doch als er sich umdrehte, sah er an der Treppe drei alte Männer an einem kleinen Tisch sitzen, sodass diese ihm den Weg nach oben versperrten. Auf dem Tisch lag eine Tafel, welche mit Kreide beschreiben war. Christoph Patzeber erschrak und bereute zugleich, den Wein genommen zu haben. Er fing an zu beten und bat die drei Männer um Entschuldigung. Einer der drei alten Männer trug einen langen Bart, eine Ledermütze und einen schwarzen Rock. Dieser sprach zu ihm und sagte: „Komm so oft du willst, so sollst du immer erhalten, was dir und den deinen vonnöten ist“. Kurzdarauf war der Mann verschwunden, sodass Christoph Patzeber ungehindert und frei wieder den Keller verlassen konnte.
Zu Hause angekommen, erzählte er die ganze Geschichte seiner Frau. Zuerst verabscheute seine Frau den Wein, den er aus dem Keller mitgebracht hatte. Doch als seine Frau mitbekam, wie sich Christoph Patzeber an dem Wein labte, versuchte auch sie den Wein und gab allen Hausgenossen diesen zu trinken. Als der Vorrat aufgebraucht war, nahm Christoph Patzeber die zwei großen Flaschen und füllte diese wieder in dem Keller der alten Burg voll Wein. Dies machte er im Laufe des nächsten Jahres noch mehrere Male.
Eines Tages besuchten Christoph Patzeber drei Nachbarn. Auch diesen gab er von seinem Wein. Diese fanden den Wein so köstlich – schließlich konnte es sich um einen Wein handeln, der auf einer kaiserlichen Tafel serviert wird –, dass sie Verdacht schöpften. Sie vermuteten, dass er nicht auf rechtem Wege zu dem Wein gekommen war. Daher gingen sie auf das Rathaus und verklagten ihn. Christoph Patzeber machte keinen Hehl daraus, wie er zu dem Wein gekommen war. Der Rat ließ sich schließlich vor Gericht etwas Wein bringen. Dieser vertrat einstimmig die Auffassung, dass es der beste Wein war, welcher im ganzen Land nirgendwo vorzufinden ist. Nachdem Christoph Patzeber den Eid abgelegt hatte, musste er nach Hause entlassen werden. Der Rat gab ihm allerdings noch einmal auf, nochmals den vorigen Weg mit seinen Flaschen zu nehmen.
Bezahlung der Weinzeche
Christoph Patzeber machte sich wieder auf den Weg zu dem Weinkeller. Bei der Burg angekommen, war weder die Treppe noch der Keller mehr zu finden. Stattdessen bekam er unsichtbare Schlage ab, welche ihn zu Boden schleuderten und er betäubt liegen blieb. Eine lange Zeit blieb er am Boden liegen. Als er wieder zu sich kam, sah er wieder die drei Männer in einer Tiefe zusammen sitzen. Die drei Männer schreiben mit ihrer Kreide auf den Tisch, sagten dabei kein Wort und hatten eine helle Lampe bei sich. Es schien fast so, als hätten sie noch eine wichtige Rechnung zu schließen. Schließlich wischten sie alle Ziffern, die sie auf den Tisch geschrieben haben, ab und zogen über die ganze Tafel ein Kreuz. Die Tafel stellten sie schließlich zur Seite. Einer der drei Männer stand auf und öffnete eine eiserne Tür, die mit drei Schlössern verschlossen war. Anschließend hörte man Geld klingeln. Dieser alte Mann kam dann auf einer anderen Treppe herauf und ging zu Christoph Patzeber, der noch immer am Boden lag. Ohne ein Wort zu sagen, zählte er 30 Taler in seinen Hut. Danach verschwand der Mann und die Uhr von Salurn schlug elf Uhr.
Christoph Patzeber raffte sich auf und kroch aus dem alten Gemäuer. Oben angekommen, sah er einen Leichenzug vorbeimarschieren. Er schleppte sich auf die Landstraße und wartete auf die Leute, die ihn schließlich nach Hause brachten.
Er berichtete dem Rat das Erlebte und von den 30 alten Talern. Diese Taler waren der Beweis dafür, dass sie ihm von keiner irdischen Hand gegeben wurden. Am folgenden Tag wurden Männer ausgesandt, die die Stelle untersuchen sollten, an der Christoph Patzeber niedergeschlagen wurde. Die Männer entdeckten jedoch nicht die geringste Spur – außer die zwei Flaschen; diese lagen in einer Ecke und wurden von den Männern zum Wahrzeichen mitgebracht.
Zehn Tage darauf starb Christoph Patzeber. Das Kreuz, welches die Männer auf die Tafel mit Kreide schrieben, hatte die Zahl „10“ bedeutet. Damit musste Patzeber die Weinzeche mit seinem Leben bezahlen.
Hinweis
Die Sage ist in der Sammlung der Gebrüder Grimm, welche unter dem Namen „Deutsche Sagen“ erhältlich ist, veröffentlicht. „Der alte Weinkeller bei Salurn“ ist im Ersten Band unter der Sage mit der Nummer 15 abgedruckt.